Philipp Büttner (Frank Abagnale Jr.), Nigel Casey (Frank Abagnale Sr.), Ensemble © Andreas Lander
Philipp Büttner (Frank Abagnale Jr.), Nigel Casey (Frank Abagnale Sr.), Ensemble © Andreas Lander

Catch Me If You Can (2023)
Theater, Magdeburg

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Spätestens nach der fulminanten Inszenierung von “Rebecca“ im letzten Jahr ist das DomplatzOpenAir des Theaters Magdeburg jedem Musicalfan ein Begriff. Sämtliche Vorstellungen sind schon lange vor den Aufführungsterminen ausverkauft. Ein regelrechter Hype, der Fans weit über die Grenzen von Sachsen-Anhalt hinaus in die ansonsten eher etwas graue Landeshauptstadt zieht. Mit “Catch Me If You Can“ gelingt der Spielstätte erneut ein beeindruckendes Bühnenspektakel, das die Reputation des Musicalstandorts Magdeburg mehr als nur sichert.

Die zum Großteil wahre Geschichte um den charismatischen und energetischen Hochstapler Frank Abagnale Jr., der in den 1960er Jahren mit seinen Betrügereien für Aufsehen sorgte, ist durch den auf seiner Autobiographie basierenden Film von 2002 mit Leonardo DiCaprio und Tom Hanks international bekannt geworden. Den Filmtitel “Catch Me If You Can“ haben Marc Shaiman und Terrence McNally für ihr Musical zum Film übernommen und die Story um ein die gesamte Handlung umspannendes Showelement erweitert. Abagnale Jr. präsentiert hier mit zahlreichen Rückblenden sein schier unglaubliches Leben als eine Art Broadway-Revue, in der seine Weggefährten als Darsteller auftreten; allen voran seine zerstrittenen Eltern, seine kurzzeitige Verlobte Brenda Strong und sein Widersacher im Katz-und-Maus-Spiel, der FBI-Agent Carl Hanratty. 2011 feiert das Stück Weltpremiere, 2013 folgt in Wien die erste deutschsprachige Inszenierung und 2015 kommt es letztendlich in Dresden erstmals in eine deutsche Spielstätte – ein für Musical-Verhältnisse, vor allem der deutschen Theaterlandschaft, noch recht frisches Stück, an dem man sich noch nicht satt gesehen hat.

Diesen Vorteil nutzt das Theater Magdeburg und inszeniert “Catch Me If You Can“ mit allem Show-Prunk, Glitzer und Pomp, den man sich nur vorstellen kann – und das auf einer Open-Air–Bühne! Das massive Bühnenbild gleicht einer ganzen Stadt. Auf über 30 Metern Bühnenweite sind liebevoll designte, verschiebbare Bühnenelemente in sämtlichen Ecken und Nischen versteckt, die über die beiden Akte jeweils mehrfach zum Einsatz kommen. Die dynamischen Szenenwechsel, die bei der wilden Story, die einer einzigen Verfolgungsjagd gleicht, unerlässlich sind, werden stets flüssig und fast schon symbiotisch mit der fortlaufenden Handlung kombiniert.

Vor dem Hintergrund eines Hochhäusermeers, das am höchsten bespielbaren Punkt ganze 14 Meter hinauf ragt, entstehen zahllose bunte und turbulente Szenen. Es fährt ein FBI-Wagen vorbei, in dem mehrere Agenten ihre nächsten Schritte planen. Eine Flugzeugkabine von Pan Am mit mehreren Gästeplätzen, eine Las Vegas Show-Bar, ein Art Déco-Wohnzimmer in Miami, mehrere Business-Hotelzimmer in Los Angeles, ein pompöses Esszimmer in New Orléans, eine Vorstadt-Kneipe, eine New Yorker U-Bahn, ein Krankenhaus in Atlanta und zahlreiche weitere Schauplätze entstehen und verschwinden raffiniert dynamisch. Jede einzelne Szene auf dieser wirklich großen Bühne wird differenziert und stimmungsvoll ausgeleuchtet, was durch den recht späten Showbeginn mit 21:00 Uhr schon von Anfang an große Effekte zeigt, und nicht wie bei vielen anderen Open-Air-Musicals erst ab dem zweiten Akt, wenn die Dämmerung einsetzt. Aufgrund der Größe der Bühne finden erstaunlich häufig mehrere Schauplätze gleichzeitig den Raum zur Entfaltung, was ebenfalls durch die tadellose Lichttechnik passend eingerahmt wird. Akzentuiert eingesetzte Effekte wie Funken- oder Wasserfontänen gehören zu den Highlights der Bühnentechnik und heben diese Inszenierung qualitativ deutlich von vielen anderen Freilichtbühnen ab.

Die über 350 Kostüme und zahllosen Perücken, die für das 22 köpfigen Ensemble plus Ballett und Statisterie bereitliegen, wirken auch dank der bezaubernden Ausleuchtung allesamt hochwertig und sind stets richtige Hingucker. So viele Kostümwechsel in teilweise wenigen Minuten sieht man selten bei einer Open-Air-Musicalveranstaltung, und dies weiß zu begeistern. Die beschwingten und erstaunlich vielschichten Choreographien von Danny Costello, die das große Ensemble virtuos umzusetzen vermag, gehören ebenso in die allerhöchste Qualitätsklasse und können ohne Weiteres mit den großen Ensuite-Produktionen der Weltbühnen mithalten. Selten machen Tanzeinlagen in einem Musical so einen großen Stimmungsunterschied aus und ernten begeisterten Szenenapplaus wie bei dieser Inszenierung. Einfach grandios!

Grandios ist auch die musikalische Untermalung durch die Magdeburgische Philharmonie unter der musikalischen Leitung von Kai Tietje. Mit sattem Sound werden die von den 1960ern inspirierten Showmelodien, unter denen so einige Ohrwürmer beim Publikum landen, über den weiten Magdeburger Domplatz übertragen. Hier sind sowohl auf der musikalischen als auch auf der tontechnischen Seite zweifelsfrei Profis am Werk. Die Stimmen und Gesänge jedes Ensemblemitglieds werden klar und deutlich ins hoch gelegene Auditorium auf der Zuschauertribüne getragen und wirken so unmittelbar, als wenn man sich den gleichnamigen Film auf der Wohnzimmercouch ansieht. Selbst der an diesem Abend sehr starke Wind fällt erstaunlicherweise kaum ins Gewicht beim Austarieren des Sounds.

Last but not least – das überwältigende Ensemble, das aus den vielen kleinen Rollen des Stücks, ob Arzthelferin, Stewardess, Showgirl oder Polizist, charakterliche Kniffe herausarbeitet und unterhaltsam auf die Bühne bringt. Vor allem das Damenensemble kann so in den diversen Gruppennummern überzeugen, wenn sie mal als Background-Sängerinnen im Dreamgirls-Stil und mal als Las-Vegas-Revuedamen zusammen performen.

Auch die Riege der Hauptdarsteller ist vortrefflich gewählt. Jeannine Michèle Wacker gibt eine bezaubernde und sympathische Brenda Strong, die mit ihrer tragenden Stimme sowohl Soli als auch Duette zu Highlights macht. Karin Seyfried als Franks französische Mutter Paula erntet nicht umsonst einen der größten Beifallstürme des Abends, denn ihr differenziertes Schauspiel zwischen besorgter Mutter und sinnlicher Verführerin ist beeindruckend anzusehen. Die drei stärksten Parts des Abends verkörpern Nigel Casey als Frank Sr., der Vater des Protagonisten, David Arnsperger als Franks Gegenspieler Carl Hanratty und Philipp Büttner in der Hauptrolle des Frank Abagnale Jr. Von diesen drei “Leading Gentlemen“ kann man seine Augen nicht lassen. Vielschichtiges Schauspiel, Entertainer-Qualitäten, virtuose Tanzeinlagen und bombastische Stimmen machen dieses Trio infernale zum absoluten Highlight dieser Produktion. Casey mit seinem britischen Akzent verkörpert mit jeder Faser den oberflächlichen und zerrissenen Vater, der seine eigenen Fehler und sein Versagen zunächst charmant zu überspielen vermag und am Ende im Alkohol ertränkt. Sein Zusammenspiel mit Büttner und Arnsperger in ihren jeweiligen Duetten ist großes Kino. An Arnsperger scheint wahlweise ein Hollywood-Schauspieler oder Profi-Synchronsprecher verloren gegangen zu sein: Durch Mimik, Gestik und Stimme transportiert er eine dem eigentlichen Buch ferne Vielschichtigkeit seiner Figur, die beeindruckt und seinesgleichen sucht. Sein prinzipientreuer, zeitweise verblendeter, rachsüchtiger und doch tief verwundbarer und einsamer FBI-Agent Hanratty ist das perfekte Gegenstück zu Büttners Frank, sodass sich beide vortrefflich aneinander abarbeiten können – und zeitlich gibt Arnspergers Auslegung der Figur als eine Art Vaterersatz einen ergänzenden Kontrast zu Caseys Vaterfigur. Philipp Büttner beweist in der Hauptrolle abermals, warum er zu den ganz Großen der deutschen Musicallandschaft zählt. Stimmlich unübertroffen singt er sich durch die Showtunes des Stücks und schafft es, mit der ihm eigenen Interpretation, einige der doch recht ähnlich klingenden Lieder zu Highlights herauszuarbeiten. Stets voll elektrisierender Energie schafft er es innerhalb kürzester Zeit, das Publikum für sich zu gewinnen. Sein natürliches Schauspiel wirkt in den wenigen emotionalen Szenen besonders authentisch. Seine aufgesetzte Hochstapler-Persönlichkeit mimt er überzeugend und schafft es, sie mit Wahrhaftigkeit zu vermischen, sodass man als Zuschauer selbst manchmal auf Franks Lügen hereinfallen würde. Komödiantisches Timing scheint Büttner im Blut zu liegen, sodass er seine Rolle in jeder Facette vollkommen erfüllt. Ein großes Lob an alle Darstellenden!

Wer zu den 1269 allabendlichen Zuschauern gehört und eine Karte ergattern konnte, darf sich glücklich schätzen und auf einen Open-Air-Musicalabend hin fiebern, der seinesgleichen sucht. Schon jetzt ist der Kartenvorverkauf für das Stück im nächsten Jahr, nämlich Webbers Phantom-Fortsetzung “Liebe Stirbt Nie“, am Glühen. Kein Wunder, bei diesem hohen Standard, den das Theater Magdeburg mit seinen Musicals beim DomplatzOpenAir auch in diesem Jahr solide hält und ausbaut!

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungKai Tietje
InszenierungFelix Seiler
BühneDarko Petrovic
KostümeLinda Schnabel
ChoreografieDanny Costello
DramaturgieUlrike Schröder
 
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CAST (AKTUELL)
Frank Abagnale Jr.Philipp Büttner
Daniel Eckert
(23.06., 24.06., 07.07.)
Carl HanrattyDavid Arnsperger
Brenda StrongJeannine Michèle Wacker
Frank Abagnale Sr.Nigel Casey
Paula AbagnaleKarin Seyfried
EnsembleVeronica Appeddu
Clara Maria Determann
Karina Kettenis
Luisa Meloni
Clara Mills-Karzel
Jessica Rühle
Robert Johansson
Leopold Lachnit
Manuel Lopez
Richard Patrocinio
Tobias Stemmer
Alexander Wilbert
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Fr, 16.06.2023 21:00Domplatz, MagdeburgPremiere
Sa, 17.06.2023 21:00Domplatz, Magdeburg
So, 18.06.2023 21:00Domplatz, Magdeburg
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