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Der Ring - Das Musical (2007 - 2008)
Theater, Bonn

Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Grellbunte Musical-Neuinterpretation des Nibelungenstoffs mit Mainstream-Pop von Frank Nimsgern und flachen Songtexten von Daniel Call. Christian von Götz setzt eindimensional auf Klischeebilder und nackte Haut und kratzt an der Oberfläche der Vorlage.

Wenn Sie einen gewitzten und interpretatorisch durchdachten Schnelldurchlauf durch das klassische Nibelungenlied erleben wollen, dann gehen Sie in die Bonner Oper. Gehen Sie jedoch nicht in den Theatersaal, sondern an den CD-Stand. Kaufen Sie die Scheibe “Loriot erzählt Richard Wagners Ring”, fahren Sie schnell nach Hause und machen Sie es sich vor dem heimischen CD-Player gemütlich. Ihr an sich schon großes Wohlbehagen wird sich um Einiges multiplizieren, wenn Sie im Folgenden lesen, was Sie im Bonner Theatersaal verpasst haben.

Nämlich einen Abend, der nach Plastik schmeckt. Mit einem Siegfried im Goldslip und Textzeilen wie “Wie du mich erregst / wenn du dich auf mich legst”. Mit einer Erzählerstimme, die zu den Lippenbewegungen eines kleinen Mädchens düstere Dinge aus dem Off schmettert, während Schwerter klirren und Feuer lodert. Mit sehr blonden Rheintöchtern in hautengen Neon-Anzügen, die lustig lispeln oder verschiedene Dialekte sprechen – Papa Wotan hatte offenbar Affären mit Damen in Frankreich, Polen und Hessen. Zwerg Alberich hat derweil einen Angelschein, Brunhild (gibt es einen germanischeren Namen?) einen unverkennbar englischen Akzent und ein Problem mit ihrem Vater. Ein so großes und zeitloses, dass es für seine Vertiefung offenbar noch einer pantomimischen Rahmenhandlung im Hartz-IV-Milieu bedarf. Als ob der Stoff von vier Opern noch nicht ausreichen würde.

Dabei ist die Komprimierung der Nibelungensaga für einen Musicalabend eigentlich nicht so sehr das Problem. Sie funktioniert nicht schlecht. Auch wenn der Grund für Brunhilds Verbannung in den Feuerkreis ziemlich abrupt daher kommt (bei Wagner hat sie – gegen Wotans Befehl – Siegmund in der Schlacht gegen Hunding beschützt, bei Nimsgern hat sie einmal kurz ihr Schwert gehoben). Auch wenn Zwerg Alberich in Bonn aus heiterem Himmel frankensteinsche Kräfte wachsen, und auch wenn Siegfried am Ende nicht stirbt, sondern einmütig mit dem Rest des Ensembles die Moral von der Geschicht singen darf.

Das Problem ist vielmehr die billige Anmutung der gesamten Produktion. Billig nicht im Sinne von “preisgünstig”: Mit Heinz Hausers Bühnenbild etwa hat sich die Bonner Oper nicht lumpen lassen. In seiner Abstraktheit mag es manchem Musicalfan vielleicht nicht gefallen, aber wenn Hauser zum schmalzigen Liebesduett von Siegfried und Brunhild ironisch aufblasbare Plastiktulpen aufblühen lässt oder am Ende dem Publikum den Spiegel vorhält, bekommt der Abend zumindest für einen kurzen Moment eine zweite Ebene.

Allerdings: Der Moment ist sehr kurz, denn da sind ja noch Kostüme (Gabriele Jaenecke), Musik und Text, und die sind an Plattheit kaum zu überbieten. Brüste wackelnd preist Wotans Gefolge Wallhalls “Mauern, die uns überdauern”, von Sado-Maso-Musen umtanzt singt Alberich “Krösus macht die Kröte schick / Reichtum macht die Hose dick”. Daniel Calls unsägliche Verse hat Frank Nimsgern in ein musikalisches Sammelsurium gekleidet, das Seinesgleichen sucht. Auch die Verwendung von Leitmotiven und gelegentlichen Wagner-Zitaten kann diesen Mix aus Mainstream-Pop, Schlagerseligkeit und schwülstig-dramatischen Streichern aus dem Synthesizer nicht retten. Das Spiel der gelegentlich aus dem Bühnenboden aufsteigenden “Frank Nimsgern Group” wird geschickt durch vorab aufgenommene Sequenzen ergänzt. Bei der Premiere wurde auf diese Weise augenscheinlich auch der Gesang der Darsteller aufgepäppelt.

Die wiederum machen das Beste aus der schrill-überdrehten Comicwelt, in der sie sich bewegen. Als dümmliche Rheintöchter kalauern sich Maricel, Judith Jakob, Michaela Kovarnikova und Stephanie Theiß durch den Abend, Walküre Aino Laos interpretiert mit “Kleine Fallen” einen der besseren Songs der Show. Karim Khawatmis Wotan besitzt Format und einen angenehm warmen Bariton, Darius Merstein-MacLeod darf sich als schleimiger Zwerg Alberich vom Tellerwäscher zum Millionär rocken und nach seinem abermaligen Fall das Bühnengeschehen als treu sorgender Vater von “Muskel-Siggi” ironisch kommentieren (“So ein Kitsch! Ist ja ekelhaft.”). Als jener hat der von Kopf bis Fuß durchtrainierte Marcus Hezel mit dem Rheingold Hip-Hop zu tanzen (Choreographie: Marvin A. Smith) – und nicht nur mit dem Drachen, sondern auch einer gnadenlos hohen Gesangspartie zu kämpfen.

Bei der Premiere verlor er letzteren Kampf erkältungsbedingt, tontechnische Probleme gaben der zwischen Adventure-Game-Pathos und grellbunten Plattitüden pendelnden Inszenierung von Christian von Götz den Rest. Der in freundlicher Zusammenarbeit mit Nimsgerns Musik und Calls Texten die reiche Botschaft des Nibelungenstoffs vor dem zehnminütigen Party-Megamix auf Moralfloskeln wie “Vertreib’ die Dämonen der Väter” und “Sei einfach Du” herunter bricht. Der Musical-“Ring” in Bonn kommt wahrlich nicht aus der Goldschmiede. Er kommt aus dem Kaugummiautomaten.

 
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KREATIVTEAM
RegieChristian von Götz
BühneHeinz Hauser
KostümeGabriele Jaenecke
 
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CAST (AKTUELL)
SiegfriedMarcus Hezel
AlberichDarius Merstein-MacLeod
BrunhildAino Laos
WotanKarim Khawatmi
RheintöchterMaricel
Michaela Kovarikova
Stephanie Theiß
Judith Jakob
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
So, 16.12.2007 18:00Opernhaus, BonnPremiere
Fr, 21.12.2007 19:30Opernhaus, Bonn
So, 23.12.2007 18:00Opernhaus, Bonn
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