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Leben ohne Chris (2009 - 2010)
Neuköllner Oper, Berlin

Kreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Du liegst im Sarg. Vermisst dich jemand oder sind alle froh, dass deine neue Heimat der Friedhof ist? Genau diese Frage beantwortet das neue Musical von Wolfgang Böhmer (Musik) und Peter Lund (Text). Mit der zehnten Koproduktion zwischen der Neuköllner Oper und dem Studiengang Musical/Show an der Berliner Universität der Künste (UdK) ist ein großer Wurf gelungen.

Endstation Kastanie. Im Vollrausch kann Chris (Christopher Brose) ihr auf dem Motorroller nicht mehr ausweichen und kollidiert frontal mit dem Baumstamm. Am Tag seiner Volljährigkeit ist Schluss mit dem Leben auf der Überholspur. Chris, der sich als von allen bewunderten Macher und Macker in seiner Clique sieht, ist Geschichte.
Peter Lund (Text und Regie) baut diese tragische Ausgangssituation mit einem genialen Trick zu einem bittersüßen Musical-Spaß aus. Bevor der tote Titelheld im Finale durch eine sich öffnende Tür in ein helles Licht verschwinden darf, muss er mit Michael (Tobias Bieri) sein Leben aufarbeiten. Michael ist kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern ein moderner Engel, der per Laptop sowohl Szenen aus der Vergangenheit auf die Bühne holt als auch die Trauernden in der Gegenwart belauscht und Chris sogar die Zukunft seiner Freunde vorführen kann. Mit viel Ironie stochert Lund genussvoll in einem Beziehungsgeflecht junger Menschen herum und deckt mit seiner unterhaltsamen, nicht einen Moment durchhängenden Inszenierung schadenfroh so manche Lebenslüge auf.
“Als ich klein war, wünschte ich mir, dass Chris tot ist”, sagt zum Beispiel Matze (Sebastian Alexander Stipp), der ganz das Gegenteil seines großen Bruders ist und von diesem verächtlich “Teiggesicht” genannt wird. Dabei bewundert der zum Schwächling Degradierte seinen Peiniger. “Muss toll sein, du zu sein” singt Matze und streift sich dazu Chris‘ Lederjacke über. Da weiß er allerdings noch nicht, dass sich sein Idol zu Lebzeiten an seine Freundin Lisa (Magdalena Ganter) herangemacht hat. Die selbstbewusste Umweltaktivistin beichtet ihm später den Seitensprung, allerdings ist sie nicht die einzige, mit der Chris seine eigene, ihm treu ergebene Freundin Anna (Julia Gámez Martin) hintergeht. An seinem Geburtstag legt er die attraktive Nadja (Karoline Goebel) flach, die heimlich von Chris‘ bestem Kumpel Henne (Hendrik Schall) begehrt wird. Der ersäuft sein Versagen beim anderen Geschlecht gemeinsam mit Danny (Dennis Jankowiak), wobei beide nach einem Kuss resigniert feststellen, dass auch der ihre Probleme nicht löst. Ihre Chance zum Ausbruch aus ihrem bisherigen, biederen Dasein nutzt hingegen Chris‘ ältere Schwester Birgit (Katrin Höft), indem sie ihre Topfpflanze einpackt und einfach geht.
“Er hat uns alle belogen und wir alle haben uns belügen lassen” resümiert Manu (Jasmin Schulz) zum Ende der Show. Mit “Denn wir leben” hat Komponist Wolfgang Böhmer dieser Figur einen der schönsten Songs des gesamten Stücks geschrieben. In seiner ansonsten sehr rock-dominierten Partitur ist für jeden Darsteller mindestens ein Solo-Song enthalten. Seine musikalische Ausdrucksvielfalt unterstreicht Böhmer in der Beerdigungsszene, bei der sich ein getragener Choral zu einem spritzigen Geburtstagssong für die plötzlich hereinbrechende Rückblende zur Geburtstagsparty entwickelt. Ulrike Reinhards schräg in den Raum gestellter nach links ansteigender, weißer Bühnensteg ermöglicht ideal alle schnellen Wechsel zwischen den Zeitebenen und Handlungsorten. Am linken hinteren Bühnenrand steht ein Baumstamm vor dem ein Motorrad schwebt. Unter einem schwarzen Gaze-Vorhang sitzt davor die kleine, unter der musikalischen Leitung von Hans-Peter Kirchberg spielende Band.
Auch wenn es ungerecht ist, einzelne Darsteller aus diesem in Spiel, Tanz und Gesang hochklassigen, sehr homogen wirkenden Ensemble herauszustellen, ragt einer rein vorlagenbedingt heraus. Als Gegenpol zu all den realistisch angelegten jungen Leuten von heute hat Tobias Bieri als androgyn wirkender Engel einen Vorteil, den er beeindruckend auskostet. Bleich geschminkt, nur mit einer ungewöhnlichen Hosenträger-Stoff-Konstruktion bekleidet (Kostüme: Claudio Aguirre, Andrea Schmidt), tollt er geschmeidig wie eine Raubkatze über die Bühne und lässt offen, wie viel Teufelchen in seiner Kunstfigur steckt.
Wer dieses mitreißende Musical mit den fabelhaften UdK-Studenten des Abschluss-Jahrgangs gesehen hat, der kann sich ein Leben ohne diese Show schwer vorstellen. Auf die nächsten zehn Jahre dieser fruchtbaren Kooperation zwischen Hochschule und Neuköllner Oper!

Musical von Wolfgang Böhmer (Musik) und Peter Lund (Text)

 
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KREATIVTEAM
Musikalische LeitungHans-Peter Kirchberg
Andreas Altenhof
InszenierungPeter Lund
ChoreografieNeva Howard
BühnenbildUlrike Reinhard
KostümeClaudio Aguirre
Andrea Schmidt
 
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CAST (AKTUELL)
MichaelTobias Bieri
ChrisChristopher Brose
AnnaJulia Gámez Martin
LisaMagdalena Ganter
NadjaKaroline Goebel
BirgitKatrin Höft
DannyDennis Jankowiak
HenneHendrik Schall
Stefan Rüh
ManuJasmin Schulz
MatzeSebastian Alexander Stipp
Band
KeyboardAndreas Weise
Peer Neumann
DrumsKai Schoenburg
Michael Kersting
Gitarre IJohannes Gehlman n/ Michael Brandt
Gitarre IIHossein Yaceri
BassCarsten Schmelzer
Adam Lenox
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Do, 02.04.2009 20:00Neuköllner Oper, BerlinPremiere
Sa, 04.04.2009 20:00Neuköllner Oper, Berlin
So, 05.04.2009 20:00Neuköllner Oper, Berlin
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