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Yma - zu schön, um wahr zu sein (2010 - 2012)
Friedrichstadt-Palast, Berlin

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Urbanes Hightech-Spektakel, in dem schöne Körper zur Schau gestellt werden, dem gleichzeitig aber Geschichte, Witz, Seele und eine vernünftige musikalische Umsetzung fehlen.

Aufklärung gibt es erst am Schluss. In einer verspiegelten Kugel einschwebend, outet sich Gastgeberin Yma als “prosexuell”. Prosexuell? “Ich probiere alles mal aus. Alice im Durcheinander”, haucht die langbeinige Schöne. Es ist erschreckend, dass Jürgen Nass und Roland Welke (Showkonzept und Libretto) keine zündendere Begründung für den Dreh- und Angelpunkt ihrer Show, einen Mann in der perfekten Maske einer Frau durch eine Revue führen zu lassen, gefunden haben.

Andererseits passt dies perfekt zu ihrem Buch, das zum Fürchten schlecht ist. Ansätze für eine Geschichte sucht der Zuschauer ebenso vergeblich wie Spannungsbögen. Zwischen beliebig miteinander austauschbaren Revue-Bildern plaudert sich Yma durch die als Reise durch ihre Welt angekündigte Show. Ihre Moderationen auf Büttenreden-Niveau strotzen nur so vor Plattitüden (“Männer können Triebwerke reparieren. Aber eine Frau verstehen?”), Kaffeekränzchen-Erkenntnissen (“Sex mit Männern lenkt doch nur von den wichtigen Dingen im Leben ab”) oder dümmlichen Tipps wie “Sag einem Mann, dass du ihn hasst und du hast den besten Sex deines Lebens”. Nichtdeutschsprachige Zuschauer, die der Friedrichstadtpalast vor Vorstellungsbeginn in fünf Fremdsprachen begrüßt, können froh sein, solche Texte nicht verstehen zu müssen.

Dafür gibt es aber Einiges zu sehen. Dem Revue-Untertitel “Zu schön, um wahr zu sein” folgend, lassen Nass (auch Regie) und Welke ihre Schöpfung Yma durch einen erotischen Kosmos der perfekten Körper spazieren. Hier strippen fitnessgestählte Adonisse zu James Browns “Sex Machine”, um sich dann hinter Milchglasscheiben hüftkreisend dem von der Decke herabsprühenden Duschstrahl hinzugeben. In anderen Szenen catchen Bikinischönheiten auf der gefluteten Spielfläche oder eine sich auf einem überdimensionalen Lotterbett räkelnde Blondine wird von aus dem Möbel kriechenden Muskelmännern streichelnd umworben. Dem Körperkult wird auch in drei sehr sehenswerten Artistiknummern gehuldigt, so zum Beispiel in dem furiosen Luft-Pas-de-deux von “The Flight of Passion”. Michael Michalskys atemberaubende Haute-Couture-Kreationen für die Show sind kleidsam, sexy und echte Hingucker.

Eingebettet ist Ymas sinnliche Welt in wirre Bilder, die der Circus of Now (Stage Design & Visual Design) zu verantworten hat. Das riesige, fahle Computergesicht, das über der Bühne hängend die Zuschauer angafft, darf zumindest das Handy- und Fotografierverbot ansagen, wird aber nicht in die Show integriert. Auf der meist leeren Bühne überfluten sechs fahrbare LED-Wände das Geschehen mit grafischen Mustern oder animierten Darstellungen, wie zum Beispiel einem Blick durch ein goldenes Bullauge in eine wie tot wirkende Unterwasserwelt. Wenn dann ab und zu auch die Decke und die Rückwände des Zuschauerraumes einbezogen werden, dann verwandelt sich der Friedrichstadtpalast in einen riesigen, stylischen Club.

In dieses Ambiente passen die harten elektronischen Beats des Produzenten- und DJ-Teams “Tiefschwarz”, zu denen Martin Wingerath (Musikredaktion) neben eigenen Kompositionen auch Hits von Diana Ross (“Muscles”), Pink (“Get the Party Started”) DeBarge (“Rythm of the Night”) oder Marianne Rosenberg (“Marleen”) gesellt. Der nach einer personellen Abspeckkur in “Show-Band” umbenannte Klangkörper des Friedrichstadtpalastes (Musikalische Leitung: Daniel Behrens) begleitet diesen eigenwilligen Musikmix, wobei die bisherige musikalische Brillanz des Hauses dem Synthie-Mainstream nebst wummernden Drumcomputern geopfert worden ist. Wer nicht im mittleren Bereich des Hauses sitzt, erlebt das Sounddesign (Gerd Drücker) zudem als hohlen Tonbrei.

Ganz im Zentrum der Show steht das hauseigene Ballett. Dabei gehen die Tänzerinnen und Tänzer nicht nur ihrer eigentlichen Profession nach. Dank einer artistischen Zusatzausbildung (Rosiris Garrido) gleiten einige der Damen im Spagat an Ringen oder Tüchern hängend elegant durch die Luft. Ganz so perfekt sind die tänzerischen Leistungen nicht immer, es hapert häufig an der synchronen Ausführung der Schritte und Bewegungen. Die Truppe wird wie schon oft gesehen auch in “Yma” wieder hauptsächlich im illustrierenden Showtanz eingesetzt, wobei das In-die-Hände-Geklatsche von der Hilflosigkeit des Choreografenteams zeugt. Wird die Truppe jedoch innovativ gefordert, dann entstehen wie beim Pas de Trois mit einer zwischen zwei Partnern hin- und herschwebenden Tänzerin grandiose Bilder. Gleiches gilt auch für die elektrisierende Stepp-Nummer der Herren auf aus den Boden schnellenden Podesten und die runde Girl-Reihe mit feuchtem Finale.

Eine echte Enttäuschung sind die Gesangsleistungen in der Show. Die beiden Solistinnen Anja Krabbe und Meike Jürgens sind gute Chorsängerinnen, mehr aber auch nicht. Den beiden farblosen Stimmen fehlen Charisma und Durchsetzungskraft. Gesanglich ausdrucksvoller und lebendiger als seine Kolleginnen ist Koffi Missah, dessen Travestie-Auftritt als Ymas beste Freundin Marleen jedoch an Peinlichkeit kaum zu unterbieten ist. Andreas Renee Swoboda in der Titelrolle ist optisch die attraktivste singende Frau auf der Bühne, doch stimmlich gehört auch er zur zweiten Garde. Neben hörbaren Registerwechseln stört auch die matte Kopfstimme in den Höhen. Im finalen Shirley-Bassey-Song “This is my Life” scheitert der Sänger an fehlender Stimm-Substanz.

Vor Beginn der Medien-Premiere von “Yma” reiht der Intendant des Friedrichstadtpalasts, Dr. Berndt Schmidt, die Revue in seiner Begrüßungsansprache unter die Top-Five-Shows in Las Vegas ein. Bleibt zu hoffen, dass das Niveau dort weitaus höher ist als in dieser Produktion, die mühevoll versucht, Elemente aus dem Pariser Lido, dem Cirque du Soleil und der letzten Friedrichstadtpalast-Show “Qi” in einem Abend zu vereinen.

Nachtrag (nochmaliger Show-Besuch am 6. November 2011 – von kw)
Die Verantwortlichen haben reagiert. Ymas belanglose Moderationen wurden auf ein Mindestmaß geschrumpft und die peinliche Travestie-Nummer “Marleen” aus der Show geschmissen. Diese entschlackte Version ist zwar runder geworden, Klasse und Format bieten trotz Andreas Swobodas stimmlicher Reife als Yma vorallem die drei Artistik-Einlagen. Da mögen die Tänzerinnen und Tänzer noch so sexy den Löwenanteil der Show stemmen: der ganz große Wurf ist “Yma” auch beim zweiten Draufgucken nicht. Schade.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Showkonzept und LibrettoJürgen Nass
Roland Welke
InszenierungJürgen Nass
Musikalische LeitungDaniel Behrens/Detlef Klemm
MusikredaktionMartin Wingerath
Show Couture DesignerMichael Michalsky
Stage Design, Visual DesignCircus of Now
ChoreografieAnastasia Chaykovskaya
Sean Cheesman
Maik Damboldt
Alexandra Georgieva
Craig Revel Horwood
Tatjana Ostroverkh
Ronald Savkovic
Aliaksei Uvarov
Artistik-Training und -ChoreografieRosiris Garrido
BühnenbildAleksej Schön
Thomas Nicolai
Anke Falkenberg
Marcel Fiedler
Martin Gräff
Jens Graube
Peter Lay
 
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CAST (AKTUELL)
YmaAndreas Swoboda/Jörn-Felix Alt
GesangssolistinnenAnja Krabbe
Meike Jürgens
GesangssolistKoffi Missah
Artistik
Bungee-, Tuch-, Trampolin-, FeuerartistikU-Show Team
Equilibristik "Ambassador"Andrey Katkov
StrapatenThe Flight of Passion/Duo Israfilov
Break DanceFlying Steps
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 21.08.2010 19:30Friedrichstadt-Palast, BerlinPreview
Di, 24.08.2010 18:30Friedrichstadt-Palast, BerlinPreview
Do, 26.08.2010 19:30Friedrichstadt-Palast, BerlinPreview
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