Von dieser Produktion haben wir leider keine Fotos
Von dieser Produktion haben wir leider keine Fotos

Lady in the Dark (2011 - 2012)
Staatstheater, Hannover

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Mit dem seltenst gespielten Weill-Musical ist der Staatsoper eine echte Entdeckung gelungen: Ausstattungstheater vom Feinsten, dazu eine Inszenierung und eine neue Textfassung, die das 60 Jahre alte Musical mit seinem Burnout-Thema aktuell, witzig, intelligent und bewegend strahlen lassen.

Warum gab es eigentlich im deutschsprachigen Raum seit Jahren keine Produktion mehr von “Lady in the Dark”? Denn auch wenn Moss Hart, Ira Gershwin und Kurt Weill 1941 über ein Zeitgeistthema – die Psychoanalyse – geschrieben und das Stück mit einem Schluss nach dem damaligen Frauenbild versehen haben: Die Show funktioniert auch heute noch bestens. Eindringlicher und treffender ist das Thema Burnout-Syndrom in keinem anderen Musical umgesetzt. Und das Ende lässt sich, wie die Produktion in Hannover beweist, mit kleineren Kürzungen auch vom Muff befreien und kommt weder kitschig noch reaktionär daher.

Es ist ein ganz und gar ungewöhnliches Musical, das die Autoren damals präsentiert haben. “Schauspiel mit Musical” würde als Bezeichnung passen. Denn die gesamte reale Handlung ist Sprechtheater, durch das sich lediglich ein Song als Leitmotiv zieht. Es dauert etliche Minuten, bis überhaupt der erste Ton zu hören ist. An drei Stellen versinkt die Hauptfigur Eliza dann in eine Traumwelt – inszeniert jeweils als üppiges, mehrere Songs umfassendes Mini-Musical.

Im ersten Akt steht die Psyche der toughen Modemagazin-Herausgeberin Eliza Elliott, die sowohl beruflich als auch privat vor wichtigen Entscheidungen steht und plötzlich Angstattacken bekommt, im Mittelpunkt. Am Broadway waren die Übergänge zwischen realer Welt und Traumwelt damals mit vier Drehbühnen in bis dato unvorstellbarem Aufwand umgesetzt worden.

Auch für Hannover finden Regisseur Matthias Davids und Bühnenbildner Heinz Hauser eine starke Lösung: Ein großer, mit Gaze gefüllter und knapp die halbe Bühnenbreite ausfüllender Rahmen, dahinter ein nach vorn gekippter, halbdurchsichtiger Spiegel. So kann Eliza sich hinter dem Gazevorhang auf die Couch des Psychiaters legen und ist im Spiegel aus der Vogelperspektive zu sehen. Wenn ihre Erzählung in die Traumwelt übergleitet, lässt sich einfach durch Lichteinsatz der Gazevorhang undurchsichtig oder der Spiegel durchsichtig machen.

Der Bühnenclou für die Szenen in der Realwelt: Das Bühnenbild ist ein stilisierte Magazincover, im selben Winkel geneigt wie der Spiegel. Der Teil des Bildes, der wegen des Spiegels fehlt, ist auf den Bühnenboden gemalt. Ist die Bühne hell und der Spiegel undurchsichtig, setzt sich das Bühnenbild in ihm also fort.

Die Traumszenen sind voll von weiteren guten Ideen. Judith Peter kann mit ihren Kostümen aus dem Vollen schöpfen und das große Ensemble für alle Träume neu und fantasievoll ausstatten – etwa, wenn Eliza vom Tanz mit dem Filmstar Randy Curtis träumt und das Ballett mit über- und zweidimensionalen Masken der beiden aufläuft. Melissa King nutzt für ihre Choreographien geschickt die Effekte, die der Spiegel ermöglicht. Und die Videoprojektionen von Max Friedrich und Daniel Wolff visualisieren die Ängste und Wünsche Elizas.

Im zweiten Akt spielt das Psychothema eine weniger wichtige Rolle, dafür kommt die Geschichte stärker ins Rollen, der Ton wird heiterer. Aber das tut der Show auch gut, um die Balance zwischen Problemstück und Unterhaltung zu halten. Roman Hinzes Neuübersetzung ist flüssig, witzig und kommt ohne sperrige Begriffe aus. Und Davids setzt die privaten und beruflichen Wirrungen erfreulich unprätentiös in Szene.

Die musikalische Wirkung kann mit der Bilderwucht insgesamt nicht ganz mithalten. Zwar spielt das Staatsorchester unter Leitung von Mark Rohde souverän und mit gut gesetzten Akzenten, klingt aber – gerade in Verbindung mit dem Opernchor – doch sehr klassisch. Zu der in die heutige Zeit versetzten Inszenierung hätte wohl auch eine modernere Instrumentierung gepasst. Weills flotte Melodien könnten das bestimmt ab.

Bei der Besetzung dieses Schauspiel-Musical-Zwitters setzt die Oper Hannover zu Recht auf etliche Gäste, die ursprünglich vom Schauspiel kommen. Eliza-Darstellerin Winnie Böwe ist im Musical (“My Fair Lady” in Hannover) ebenso zu Hause wie im Fernsehen (“Familie Dr. Kleist”) und Kino (“Blutzbrüder”). Sie gibt die in der Show omnipräsente Eliza im ständigen Wechsel zwischen der souveränen Führungskraft und der verletzten, verzweifelten Frau, die nicht versteht, was mit ihr passiert.

Auch die übrigen Solisten zeigen Rollenporträts, die genügend Tiefe haben, um Sympathien zu wecken und nicht im Klischee stecken zu bleiben. Etwa Kerstin Thielemann als Elizas businessgestählte Freundin Maggie, Fabian Gerhardt als sprücheklopfender Marketingchef, Christopher Tonkin als von den Frauen angehimmelter (aber leider mit starkem Akzent sprechender) Filmstar und Daniel Drewes als überdrehter Fotograf. Drewes bringt auch souverän den dankbaren Showstopper “Tschaikowsky”, in dem er in halsbrecherischem Tempo die Namen russischer Komponisten herunterrasselt. Als Zugabe zeigen die durch die Bank starken Solisten, dass sie die Nummer auch im Chor beherrschen.

Also, warum wird “Lady in the Dark” so selten gespielt? Für kleine Häuser ist die aufwendige Show sicherlich nichts, aber den großen Bühnen sei sie ans Herz gelegt. Die rundum gelungene Produktion in Hannover ist die beste Werbung dafür.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
RegieMatthias Davids
Musikalische LeitungMark Rohde
Deutsche FassungRoman Hinze
ChoreographieMelissa King
BühnenbildHeinz Hauser
KostümbildJudith Peter
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Liza ElliottWinnie Böwe
Charley JohnsonFabian Gerhardt
Kendall NesbittRoland Wagenführer
Randy CurtisChristopher Tonkin
Dr. Alexander BrooksUwe Kramer
Russell PaxtonDaniel Drewes
Maggie GrantKerstin Thielemann
Alison Du BoisKatharina Solzbacher
Elinor FosterMareike Morr
Miss BowersCarola Rentz
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Fr, 14.10.2011 18:30Opernhaus, HannoverPreview
Sa, 15.10.2011 19:30Opernhaus, HannoverPremiere
Do, 20.10.2011 19:30Opernhaus, Hannover
▼ 14 weitere Termine einblenden (bis 08.04.2012) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay