Guido Schikore, Sandra Pangl, Fabian Schiffkorn, Sebastian Weiss, Ferdinand Seebacher, Luise Schubert, Gabriel Kemmet her, Julia Apfelthaler, Anna Preckeler  © Thomas Frank M42
Guido Schikore, Sandra Pangl, Fabian Schiffkorn, Sebastian Weiss, Ferdinand Seebacher, Luise Schubert, Gabriel Kemmet her, Julia Apfelthaler, Anna Preckeler © Thomas Frank M42

Spring Awakening (2014)
Theater, Heilbronn

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Einem progressiven Musical wie “Spring Awakening” am Stadttheater den passenden Rahmen zu geben, geht nicht? Geht schon, wie das Theater Heilbronn auf ganzer Linie beweist. Die pfiffige Inszenierung, das kreative Bühnenbild und ein junges Ensemble machen es möglich.

Versagensängste, häusliche Gewalt, Kindesmissbrauch, Selbstmordgedanken, sexuelle Begierde und ein weiter Mantel des Schweigens. Die Tabus, die Frank Wedekind in seiner Kindertragödie “Frühlings Erwachen” thematisierte, sind heute noch so aktuell wie bei der Veröffentlichung des Stücks 1891. Während die Jugendlichen bei Wedekind immer tiefer im Strom der Hilflosigkeit versinken, geben Komponist Duncan Sheik und Texter Steven Sater ihnen in der Musicalfassung “Spring Awakening” in Form der Rockmusik ein Ventil für die aufgestauten Emotionen.

Regisseur Christian Doll inszeniert das Musical am Theater Heilbronn in einer Einöde aus hölzernen Schulbänken. Schule ist für die Jugendlichen in “Spring Awakening” der alles beherrschende Lebensmittelpunkt. Der Wert eines Menschen wird an Lernleistung und an moralischer Doktrin gemessen. Riesengroß überragt ein Pult die gesamte, von Fabian Lüdicke grandios entworfene Bühne. Weitere Schulbänke in allen Größen türmen sich zu einem kafkaesken Ungetüm auf. Sie schaffen Plateaus und Schlupfwinkel.

Christian Dolls Inszenierung bleibt über große Strecken der Sachlichkeit der wedekind’schen Vorlage treu. Die Szenen sind nüchtern, fast sogar steril, inszeniert. Pulte und Stühle sind akkurat ausgerichtet, unnötige Requisiten vermeidet der Regisseur. Der einzige Weg aus dem Grau-in-Grau der wilhelminischen Gesellschaftsnormen ist die Musik. Doll macht dies szenisch erlebbar, indem er das Orchester als schwarzbefrackte Schattengestalten in das Spiel integriert. Dank Hebebühne erscheint das elfköpfige Orchester unter der Leitung von Heiko Lippmann an Klavier und Harmonium immer wieder in der Szene, mit vollem, warmem Streicherklang und pulsierendem, treibendem Schlagzeug.

Seine besondere Wirkung entfaltet “Spring Awakening” in Heilbronn nicht zuletzt auch durch sein junges Ensemble. In Spiel und Gesang fangen die Schauspieler die Verletzlichkeit, Verwirrtheit und Wut der Pubertät ein.

Anna Preckeler spielt die Rolle der Wendla mit einem Mix aus kindlicher Naivität, Neugier und Lebenslust. Man nimmt ihr sowohl das verschämte Drängen nach Körperlichkeit als auch die kindliche Überforderung mit der Tragweite ihres Tuns ab. Mit ihrem klaren und kräftigen Sopran weiß Preckeler an den richtigen Stellen die Unschuld Wendlas oder die fordernde Wut ihrer Generation auszudrücken.

Joachim Foerster liefert mit seiner Darstellung des Schulversagers Moritz Stiefel eine gekonnte Charakterstudie. Sowohl schauspielerisch wie gesanglich macht Foerster greifbar, wie Moritz durch seine Versagensängste und die Unmöglichkeit seiner aufkeimenden Triebe zugrunde geht. Die rockigen Gesangsparts stemmt der 25-jährige Darsteller problemlos. Gänsehaut liefern ebenfalls Julia Apfelthaler (Martha) und Luise Schubert (Ilse), wenn sie von häuslichem Missbrauch und Vergewaltigung singen.

Verstockt kommt hingegen Ferdinand Seebacher als freigeistiger Melchior Gabor daher. Vor allem zu Beginn gelingt es Seebacher nur bedingt, die gesellschaftsphilosophischen Thesen seiner Figur glaubwürdig zu transportieren. Auch gesanglich findet er nicht immer die richtige Balance zwischen lyrischen und rockigen Passagen. Ein bisschen mehr komödiantisches Timing und Freude an süffisanten Zwischentönen würde man sich auch von Gabriel Kemmether (Hänschen) wünschen, wenn er seinen Klassenkameraden Ernst (Fabian Schiffkorn) verführt oder wenn sein Vater (ein wandlungsfähiger Tobias B. Weber in allen erwachsenen Männerrollen) ihn wiederholt beim Onanieren stört.

Trotz kleiner spielerischer Schwächen: “Spring Awakening” in Heilbronn ist intelligentes, anspruchsvolles – aber keinesfalls gefälliges – Musical, wie man es nur selten an deutschen Theatern zu sehen bekommt. Die Reaktionen des Premierenpublikums reichten von angestrengt verständig bei den älteren Semestern bis begeistert diskutierend bei den Jugendlichen. Wedekind hätte daran sicherlich seine Freude.

 
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KREATIVTEAM
RegieChristian Doll
Musikalische LeitungHeiko Lippmann
ChoreographieEric Rentmeister
BühnenbildFabian Lüdicke
KostümeKati Kolb
 
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CAST (AKTUELL)
WendlaAnna Preckeler
MelchiorFerdinand Seebacher
MoritzJoachim Foerster
IlseLuise Schubert
MarthaJulia Apfelthaler
TheaSandra Pangl
HänschenGabriel Kemmether
GeorgGuido Schikore
ErnstFabian Schiffkorn
OttoSebastian Weiss
Erwachsene FrauSylvia Bretschneider
Erwachsener MannTobias D. Weber
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 22.03.2014 19:30Theater, HeilbronnPremiere
So, 23.03.2014 19:30Theater, Heilbronn
Di, 25.03.2014 19:30Theater, Heilbronn
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