Ensemble © Deen van Meer
Ensemble © Deen van Meer

Mary Poppins (2014 - 2016)
Ronacher, Wien

Kreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Deutschsprachige Erstaufführung einer großartigen Show, die von den Vereinigten Bühnen Wien herausragend auf die Bühne gebracht worden ist.

“Der Wind dreht nach Ost, Nebel kommt auf, als zöge schon bald etwas Neues herauf.” Es ist Bert, der dem Publikum im Stil eines traditionellen Folksängers die nahe Ankunft von Mary Poppins verkündet. Er kennt auch den Grund für ihr Kommen: “Ein Vater, eine Mutter, eine Tochter, ein Sohn – ihr ganzer Zusammenhalt ist längst entflohen.” Damit sind die beiden Grundpfeiler der Geschichte im Grunde genommen bereits beschrieben: ein Familiendrama sowie die faszinierend fantastische Welt einer feenhaften Heldin. Ein Stoff, der britischer nicht sein könnte und trotzdem durch die legendäre Disney-Verfilmung aus dem Jahr 1964 wohl für immer und ewig mit den hierfür geschaffenen Bildern und Melodien in Verbindung gebracht werden wird, die ihrerseits wiederum nichts anderes als die Blaupause für vergnügliches, amerikanisches Entertainment darstellen. Ein Konflikt, dem Hollywood jüngst mit “Saving Mr. Banks” sogar ein eigenes filmisches Denkmal setzte.

Das Musical indes strebt nach Eigenständigkeit, es will weder Adaption des Filmes noch der Bücher sein. Wenn es nach dem Willen von Romanautorin P.L. Travers gegangen wäre, hätte sie letztere Variante sicherlich bevorzugt, doch Cameron Mackintosh, der sich die Bühnenrechte an dem Stoff sicherte, konnte sie schließlich davon überzeugen, dass ein Verzicht auf die wesentlichen Disney-Elemente keine Option für eine millionenschwere Bühnenproduktion darstellt. Autor Julian Fellowes verknüpfte schließlich mit behutsamer Hand Teile von beiden zu einer neuen, funktionierenden Einheit. Das Ergebnis verfügt angesichts solch ungewöhnlicher Rahmenbedingungen über eine profunde narrative Logik, wenn die Erzähllinie oft auch nur hauchdünn ist. Frisches Blut und vor allem die für den Spannungsaufbau notwendigen Konflikte bezieht die Bühnenfassung aus den Büchern, was dem Unterhaltungswert des Theatererlebnisses sehr gut tut, denn die ganz überwiegende Mehrheit der Besucher dürfte nur mit dem Film vertraut sein und bekommt nun eine in vielerlei Hinsicht neue Geschichte erzählt. Dabei erweist es sich als vorteilhaft, dass dieses Musical in Co-Produktion von Mackintosh und Disney entstanden ist, denn solch herzerfrischend extravagant-schräge Szenen wie der Aufstand der Kuscheltiere in “Spielt euer Spiel” (“Playing the game”) oder der hinreißend furios gestaltete Nanny-Battle zwischen Mary Poppins und Miss Andrew hätten in dieser Form unter der alleinigen Ägide von Disney wohl so nicht den Weg auf die Bühne gefunden.

Das musikalische Material für die neuen Szenen stammt vom Komponistenteam George Stiles und Anthony Drewe, denen das Kunststück gelungen ist, neben den vorgenannten, bewusst eingestreuten Ausreißern Songs zu schreiben, denen man nicht anhört, dass sie neu sind. In absoluter Unaufgeregtheit reihen sich diese in die weltbekannte Originalmusik der Sherman-Brüder ein – vor allem “Völlig ohne Fehler” (“Practically Perfect”) gehört gefühlt schon immer dazu. Aber auch das bedingungslos optimistische “Alles, was wir wollen, kann passieren” (“Anything can happen”) zeichnet sich durch seine Ohrwurmqualität und den hohen Wiedererkennungswert aus. Die bläserreiche Partitur präsentiert das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien in der von ihm gewohnten herausragenden Qualität – Tempi, Dynamik und Klangbalance sind ausgezeichnet. Zum Erfolg dieser deutschsprachigen Erstaufführung trägt auch die Qualität der Songtexte bei, die von Wolfgang Adenberg ins Deutsche übertragen wurden (Übersetzung Dialoge: Ruth Deny). Hierunter befinden sich einige originelle Lösungen mit großer sprachlicher Kraft wie etwa “Krautsaft und Fischöl” für “Brimstone and treacle” – darauf muss man auch erst mal kommen.

In erster Linie überzeugt diese Bühnenfassung des Mary-Poppins-Stoffes jedoch durch seine perfekt konstruierten Shownummern wie etwa “So ein wunderschöner Tag” (“Jolly Holiday”), bei der eine normale Parklandschaft über alle Maßen prosperiert und sich in eine berauschende Technicolor-Szenerie inklusive rosa Himmel und neongrünem Hund verwandelt. Ganz aufmerksame Beobachter können in dieser gegenüber der Londoner Originalproduktion immens aufgepeppten Szene sogar einen Cameo-Auftritt einer der berühmten Pinguine entdecken, die man ganz unweigerlich mit dem Ausflug in den Park in Verbindung bringt. Im Gegensatz dazu ist die trist-analytische Bankenwelt von Vater George in aschfahl-grau gehalten. So muss das sein in der Mary-Poppins-Welt, die Star-Ausstatter Bob Crowley entworfen hat und sich in Wien im Vergleich mit dem Original trotz der vorgenannten Änderung ein wenig abgespeckter präsentiert. Dies schmälert jedoch nicht das Vergnügen an Szenen wie “Mit ‘nem Teelöffel Zucker” (“A spoonful of sugar”), bei der wie von Zauberhand eine vollends demolierte Küche wieder instand gesetzt wird – trotz der vielen Bühnenmechanik, die hier zum Einsatz kommt, eine durch und durch bezaubernde Nummer voller Charme. Für Bühnenspektakel schlechthin sorgen die erfreulich exakt einstudierten Tanznummern auf Grundlage der Original-Choreografie von Matthew Bourne. So etwa die rasant-dynamische Entwicklung von “Supercalifragilisticexpialigetisch” und die im wahrsten Sinne des Wortes “over-the-top”-Inszenierung von “Schritt für Schritt” (“Step in time”) – alles Szenen, die man, wie einige Bilder aus dem Film, nie mehr vergessen wird.

In der Titelrolle ist Annemieke van Dam zu sehen und zu hören. Eine Hauptrolle, die sich leichter anhört, als sie es tatsächlich ist. Dadurch, dass Mary Poppins eben praktisch perfekt ist, fehlt es ihr auch an allem, was eine Figur interessant macht, nämlich ihre Fehler – einzig ihr Hang zur elitären Versnobtheit gibt dieser Rolle ein wenig Fleisch. Insofern besteht bei der Ausgestaltung der Figur die Gefahr, sich auf lyrischen Schöngesang und die typischen Posen zu beschränken. Leider macht van Dam genau dieses – sie ist eine wirklich sehr hübsche Mary Poppins mit sicherer Sopranstimme, wenngleich man sich diese oftmals ein wenig voluminöser wünscht. Ihre Tanzparts hingegen meistert sie sehr souverän. Allerdings lässt ihr Spiel das gewisse Etwas vermissen. Das Rätselhafte der Figur, das man eben nur zwischen den Zeilen spielen kann, fehlt bei ihr völlig: Mary Poppins’ Bewusstsein ist bestimmt durch ihr Wissen um eine andere Welt – ob es sich bei ihrem Bemühen um die Banks’sche Familienzusammenführung um ihre Hauptaufgabe oder nur um ein liebgewonnenes Hobby neben ansonsten viel weitreichenderen Aufgaben handelt, gibt sie nicht preis. Der ewig lächelnde Sonnenschein, den van Dam auf der Bühne gibt, ist Mary Poppins aber nicht, was nicht zuletzt auch dadurch deutlich wird, dass sie etwa bei “Spielt euer Spiel” ihre magischen Kräfte auch mal gegen die Kinder richtet. Ihr Eingeweihter und zu einem gewissen Teil auch ihr Statthalter in der irdischen Welt ist Bert, der ebenso wie sie Menschen glücklich machen kann, aber eben nur mit menschlichen Kräften. Diese Ernsthaftigkeit und Tiefe sowie der Grundton einer gewissen angesäuerten Poesie kam in der etwas dunkler eingefärbten Originalinszenierung in einigen Szenen zum Ausdruck, wie etwa bei dem leitmotivischen “Chim Chim Cher-i”-Song am Ende des ersten Aktes – in dieser Wiener Inszenierung spürt man davon jedoch nichts.

Mit grundsympathischer Ausstrahlung, ansteckender Unbekümmertheit sowie quirliger Athletik und fester Stimme gibt David Boyd einen famosen Bert. Anlässlich der schwindelerregenden Begehung der Bühnenumrandung bei “Schritt für Schritt” steppt und singt er sogar kopfüber – von ihm wird in Zukunft hoffentlich noch mehr zu sehen sein. Der Entwicklungsbogen des anfangs emotional völlig abgestumpften George Banks, der Küsse und Umarmungen seiner Ehefrau als rührseligen Unfug empfindet und erst zum Ende hin sein Menschsein wiederentdeckt, muss die Geschichte zusammenhalten. Schade, dass es dem Spiel von Reinwald Kranner dabei ein wenig an Eindringlichkeit und dramatischer Zuspitzung fehlt. Damit hat Milica Jovanovic in der weitaus undankbareren Rolle der Winifred überhaupt keine Probleme – wie sie die vernachlässigte und respektlos behandelte Ehefrau gibt, ist zutiefst anrührend. Die Nuancen spielt sie sorgfältig aus, ihre warme und volle Stimme strahlt – eine tolle Mrs. Banks.

Miss Andrew ist mürrisch und übellaunig bis ins Mark – ihre Devise ist: “Um Kinder zu stählen, muss man sie quälen”. In der besuchten Vorstellung wird dieser “Höllenhund” von Petra Clauwens genüsslich eklig und mit furchteinflößendem Wackelgang gespielt, wobei sie sich äußerst stimmvirtuos präsentiert. Die Kinderdarsteller von Jane und Michael – beide sind jeweils vierfach besetzt – haben in diesem Stück keine netten Kurzauftritte, sondern vielmehr ausgewachsene Rollen mit nahezu permanenter Bühnenpräsenz zu bewältigen. Es ist beeindruckend, mit welcher Bühnensicherheit in der besuchten Vorstellung Meta Schumy als Jane und David Paul Mannhart als Michael dabei zu Werke gehen und in ihrem Spiel, Tanz und Gesang ein äußerst präzises Timing zeigen.

Trotz aller zur Schau gestellten Technik: der Show wohnt eine gewisse Magie inne. Wenn am Schluss Mary Poppins zu ihrem Flug über die Köpfe der Zuschauer hinweg ansetzt und aus dem Orchestergraben mit sattem Sound eine der vielen hinreißenden Melodien des Stückes erklingt, ist es schon verdammt schwer, dass einem spätestens in diesem Moment nicht das Herz aufgeht…

 
Kreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
MusikRobert B. Sherman
Richard M. Sherman
George Stiles
TexteRobert B. Sherman
Richard M. Sherman
Anthony Drewe
BuchJulian Fellowes
Übersetzung BuchRuth Deny
Übersetzung TexteWolfgang Adenberg
RegieRichard Eyre
Musikalische LeitungKoen Schoots
Choreografie und Co-RegieMatthew Bourne
Bühne und KostümeBob Crowley
LichtNatasha Katz
SoundPaul Groothuis
 
Kreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
[09/2015-01/2016]
Mary PoppinsAnnemieke van Dam,
(Maria Danaé Bansen
Lisa Habermann)

BertDavid Boyd,
(Christopher Bolam
Johan Vandamme)

Jane BanksFiona Bella Imnitzer
Katharina Kemp
Laura Scholz
Tara Oberkofler
Michael BanksMoritz Krainz
David Paul Mannhart
Lorenz Pojer
Jonas Ambrosch
George BanksReinwald Kranner,
(Fernand Delosch
Hans Neblung)

Winifred BanksMilica Jovanovic,
(Maria Danae Bansen
Merel Zeeman)

Miss AndrewMaaike Schuurmans,
(Esther Hehl)
Admiral Boom / GeneraldirektorDirk Lohr,
(Fernand Delosch
Hans Neblung)

Robertson AyNiklas Abel,
(Jan-Eike Majert
Kevin Perry)

VogelfrauSandra Pires,
(Esther Hehl)
Mrs. BrillTania Golden,
(Kristina Da Costa
Esther Hehl)

Mrs. CorryKudra Owens,
(Kristina Da Costa
Kenia Gonzalez
Merel Zeeman)

ParkwächterHans Neblung,
(Christopher Bolam
Fernand Delosch)

NorthbrockTobias Losert,
(Paul Knights
Johan Vandamme)

Von Treiber / PolizistFernand Delosch,
(Kevin Perry
Paul Knights)

NeleusDane Quixall,
(David Hardenberg)
EnsembleMaria Danae Bansen
Danielle Benton
Heather Carino
Kristina Da Costa
Kenia Gonzalez
Lisa Habermann
Esther Hehl
Merel Zeeman
Callan Bergmann
Christopher Bolam
Andrew Chadwick
Angelo Di Figlia
David Hardenberg
Kevin Perry
Patrick Robinson
Johan Vandamme
SwingsLuys Harrison
Emma Hunter
Christian Louis-James
Jo Lucy Rackham
Vicky Riddoch
Jan-Eike Majert
Paul Knights
 
Kreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (HISTORY)
[10/2014-06/2015]
Mary PoppinsAnnemieke van Dam,
(Lisa Habermann
Anaïs Lueken)

BertDavid Boyd,
(Christopher Bolam
Johan Vandamme)

Jane BanksFiona Bella Imnitzer
Katharina Kemp
Filippa Lengyel
Meta Schumy
Michael BanksMoritz Krainz
David Paul Mannhart
Lorenz Pojer
Jonas Peter Zeiler
George BanksReinwald Kranner,
(Fernand Delosch
Hans Neblung)

Winifred BanksMilica Jovanovic,
(Petra Clauwens
Anaïs Lueken)

Miss AndrewMaaike Schuurmans,
(Petra Clauwens
Esther Hehl)

Admiral Boom / GeneraldirektorDirk Lohr,
(Fernand Delosch
Hans Neblung)

Robertson AyNiklas Abel,
(Gernot Romic
Kevin Perry)

VogelfrauSandra Pires,
(Esther Hehl)
Mrs. BrillTania Golden,
(Kristina Da Costa
Esther Hehl)

Mrs. CorryKudra Owens,
(Kristina Da Costa
Mariana Souza)

ParkwächterHans Neblung,
(Christopher Bolam
Fernand Delosch)

NorthbrockTobias Losert,
(Gergory Antemes
Johan Vandamme)

Von Treiber / PolizistFernand Delosch,
(Kevin Perry
Gernot Romic)

NeleusYves Adang,
(Gregory Antemes
Joseph Dockree)

EnsembleAnaïs Lueken
Kristina Da Costa
Lisa Habermann
Christopher Bolam
Heather Carino
Petra Clauwens
Patrick Robinson
Mariana Souza
Gregory Antemes
Lucy Harrison
Angelo Di Figlia
Esther Hehl
Kevin Perry
Johan Vandamme
Maximilian Mann
Christian Graf
SwingsEmma Hunter
Christian Louis-James
Samantha Turton
Joseph Dockree
Jo Lucy Rackham
Jan-Eike Majert
  
Kreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Do, 18.09.2014 19:30Ronacher, WienPreview
Sa, 20.09.2014 19:30Ronacher, WienPreview
Di, 23.09.2014 19:30Ronacher, WienPreview
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