Alexander Prosek (Graf Dracula), Vampirinnen © Falk von Traubenberg
Alexander Prosek (Graf Dracula), Vampirinnen © Falk von Traubenberg

Dracula (Wildhorn) (2015 - 2016)
Theater für Niedersachsen, Hildesheim

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Mit Blitz und Donner startet Dracula in die Hildesheimer Nacht. Craig Simmons inszeniert die Geschichte des Grafen und seiner Sehnsüchte – dicht in düsteren Bildern und viel Nebel gehüllt.

Simmons, der in Hildesheim in den letzten Spielzeiten mit je einer Inszenierung zu Gast war, beginnt seine Arbeit mit kleinen Anleihen aus “Tarzan” und “Tanz der Vampire”, findet dann schnell zurück zu seinem eigenen Stil und entwickelt daraus eine sehenswerte Version des blutrünstigen Grafen.

In der Titelrolle steht Alexander Prosek auf der Bühne. Wirken Kostüme und Spiel zu Beginn eher etwas altbacken, gewinnt Proseks Figur im Laufe des Stücks immer weiter an Tiefe. Seine Darstellung wird einnehmender und bedrohlicher, wenn auch zeitweise ein klein wenig kitschig. Das Kreativteam unterstützt ihn dabei mit allerlei sehenswerten Auf- und Abgängen, die er gekonnt für sich zu nutzen weiß. Die Person seines Begehrens ist der Hildesheimer Neuzugang Elisabeth Köstner. Sie formt mit kräftiger Stimme eine sympathische Mina Murray, mit der es sich zu leiden und zu hoffen lohnt – die allerdings unnötigerweise den gesamten Abend an einem übersteuerten Mikrofon leidet.

Mit Tim Müller (Jonathan Harker) und Jens Krause (Prof. van Helsing) setzt Simmons auf zwei bewährte Gesichter auf der TfN-Bühne. Müllers Reise auf der Gefühlsachterbahn von stocksteif über ekstatisch, Selbstzweifel und Trauer gelingt ihm hervorragend. Krauses Vampirjäger erinnert an eine Mischung aus Prof. Ambronsius und Sherlock Holmes. Diese Kombination ist interessant zu beobachten und verleiht der Rolle interessante Facetten eines genialen Jägers im Körper eines kauzigen alten Mannes. Wenn Krause und Prossek in “Zu Ende” einstimmen, beginnt ein magischer Moment im Theater, der gerne noch einige Minuten länger sein dürfte.

Als besonderer Glücksfall entpuppen sich Sandra Pangl (Lucy Westenra) und Jürgen Brehm (Renfield). Pangl verfügt über starke Körperbeherrschung und Mimik. Je weiter Sie in den Strudel des Grafen gerät, desto besessener wirkt auch ihre Figur – eine Besessenheit, die sie bis in den kleinen Zeh auszuspielen vermag. Wenn Brehms zunächst genüsslich Fliegen verspeist und später vor Angst flehend auf dem Boden kauert, tut er dies so authentisch, dass Abscheu und Mitleid eine seltene Symbiose eingehen. Auch die übrige Cast in Hildesheim ist gut gewählt und die Ergänzung der Szenen mit Mitgliedern des Opernchors reichert klanglich und optisch viele Szenen an.

Das Bühnenbild besteht aus vier großen Bühnenwagen und zwei Effektvorhängen. Esther Bätschmann gelingt es, daraus im schnellem Wechsel atmosphärische Bühnenwelten zu kombinieren, die den Bühnenraum in allen Dimensionen ideal ausnutzen. Umbauhelfer sind passend gekleidet und stören so kaum. Unterstützt wird sie von einer gelungenen Lichttechnik. In blau und türkis gehaltene, dezente Projektionen und viel Nebel (manchmal etwas zu viel) verleihen der Bühne Tiefe und Atmosphäre. Zeitweise arbeitet nur das Licht und Kulissen bleiben gänzlich unsichtbar, Figuren schweben oder stehen gänzlich vom Raum gelöst in der Luft. Auch sonst klotzen die Gewerke des Theaters. Podienfahrten, sichtbares Heben und Senken der Kulissenzüge, Durchlichteffekte mit Gaze, Pyrotechnik und ein fliegender Dracula verfehlen ihre Wirkung nicht. So entstehen immer wieder starke Bilder mit Erinnerungswert, die sich allerdings in den Pressefotos nur vage erahnen lassen.

Bätschmanns Kostüme wirken hingegen vor allem zu Beginn unfertig. Ihr Dracula erinnert eher an die Hexe Ursula aus Disneys “Ariel” und seine Vampirinnen kleiden sich, als müssten sie gleich noch in Frau Wolfs Salon. Zumindest Dracula gewinnt später in seinem Ledermantel deutlich und auch die sonstigen Kostüme kombinieren sich in Beige-, Ocker- und Grüntönen zu einem harmonischen Bild. Nur der synthetisch-strahlende, azurblaue Anzug des Dr. Seward wirkt das gesamte Stück über wie ein Fremdkörper im Bühnenbild.

Die Abmischung des Tons in Hildesheim ist auch bei “Dracula” immer wieder schwierig. Bei Duetten sind einzelne Mikrofone nicht hochgezogen, in Terzetten unterschiedlich stark verstärkt – zeitweise hört man einzelne Darsteller deutlicher direkt von der Bühne als aus der Verstärkung. Oft ist der Chor lauter als der Hauptsänger und das Mikrofon von Elisabeth Köstner übersteuert den ganzen Abend. So gehen immer wieder wichtige Gesangspassagen unnötigerweise im Klangnebel unter. Zudem verlieren die Songs so an Dynamik. Das üppig besetzte Orchester unter Leitung von Achim Falkenhauser macht einen sehr guten Job. Aber auch hier schmälert eine fehlende (oder deutlich zu leise) Verstärkung vor allem des Schlagzeugs an entscheidenden Stellen die Dramatik.

Die Hildesheimer Premiere endet nach zweieinhalb Stunden mit lautem Applaus und geht in verdiente 10 Minuten Standing Ovations mit Bravorufen über. Die Mischung stimmt – nun muss sich nur noch die Abmischung des Tons einreihen.

 
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KREATIVTEAM
MusikFrank Wildhorn
BuchChristopher Hampton
Don Black
InszenierungCraig Simmons
Musikal. LeitungAchim Falkenhausen
AusstattungEsther Bätschmann
ChoreographieKatja Buhl
 
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CAST (AKTUELL)
Graf DraculaAlexander Prosek
Jonathan HarkerTim Müller
Prof. van HelsingJens Krause
Mina MurrayElisabeth Köstner
Lucy WestenraSandra Pangl
Dr. Jack SewardBjörn Schäffer
Quincey P. MorrisStephan Freiberger
Arthur HolmwoodJesper Mikkelsen
RenfieldJürgen Brehm
VampirinnenJudith Bloch
Agnes Buliga-Contras
Anne Lütje
Teresa Scherhag
Kathelijne Wagner
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 12.12.2015 19:00Stadttheater, HildesheimPremiere
Mi, 16.12.2015 19:30Stadttheater, Hildesheim
So, 27.12.2015 19:00Stadttheater, Hildesheim
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