Mercedesz Csampai (Sarah), Thomas Borchert (Graf von Krolock) © Andreas J. Etter
Mercedesz Csampai (Sarah), Thomas Borchert (Graf von Krolock) © Andreas J. Etter

Tanz der Vampire (2017)
Theater, St. Gallen

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Professor Abronsius und Alfred beim Song “Wahrheit” auf Spinning-Rädern im Sanatorium? Was sich im ersten Moment unglaublich anhört, ist nur einer von diversen zündenden Regieeinfällen. Bei der überzeugenden Neuinszenierung wird “Tanz der Vampire” in St. Gallen – unter Berücksichtigung der Stimmigkeit des Originals – behutsam entstaubt und erhält damit neuen Biss.

Die Original-Version von “Tanz der Vampire” läuft seit Oktober 1997 nahezu unverändert und quasi nonstop im deutschsprachigen Raum. Aber, wie die Vampire singen: “Ewigkeit ist Langeweile auf Dauer.” Und so erfährt diese erste freie Inszenierung des Stückes neue Impulse, um erst gar keine Langeweile aufkommen zu lassen.

Mit Produktionen wie “Avenue Q”, “Der Graf von Monte Christo” und “Artus – Excalibur” hat sich das Theater St. Gallen als eine der führenden Bühne für Musicals abseits der Großproduktionen entwickelt. Hier wird sehr hochwertige und mit Long-Run-Produktionen vergleichbare Qualität gezeigt. Die Erwartungen an diese neue Version von Romans Polanskis Vampir-Satire waren daher hoch gesteckt.

Diejenigen, die schlimme Befürchtungen hatten, können beruhigt sein, denn Handlung, Songs und Texte bleiben unverändert. Regisseur Ulrich Wiggers interpretiert die Geschichte neu und macht aus dem Wirtshaus der Chagalls ein Sanatorium und platziert dies im Schloss des Grafen von Krolock. Damit findet die gesamte Handlung in einem Gebäude statt. Poster von “Twilight” und “Vampire Diaries” zieren die Wände von Sarahs Teenie-Zimmer, was ihre Anziehung zu den Blutsaugern greifbarer macht. Passend dazu ist die Frisur des Grafen optisch dem Vater aus “Twilight” nachempfunden. Dazu spielt das Stück in der heutigen Zeit, wo sich die Vampire derart angepasst haben, dass ihnen Tageslicht nichts mehr anhaben kann. Sie leben also mitten unter uns und sind nur manchmal durch sehr helle Augen ohne Iris und natürlich durch ihre langen Eckzähne zu erkennen. Unter diesen Voraussetzungen inszeniert Graf von Krolock eine Show für Professor Abronsius, so wie dieser die Vampirwelt klischeehaft erwartet.

Bei den Darstellern wurde sorgfältig aus Vampir-erfahrenden und “frischem Blut” ausgewählt. Der Cast überzeugt durch die Bank mit kraftvollen Stimmen und nuanciertem Spiel. Als Graf von Krolock zeigt Thomas Borchert eine reife Leistung. Er singt auch in den tiefen Tönen brillant und legt mehr Gefühl und Leidenschaft in die Rolle als bei seinen bisherigen Interpretationen. Bei “Totale Finsternis” begleitet er Sarah am Piano, was zusammen mit den Kerzen darum triefender 80er-Kitsch at its best ist.

Star der Aufführung ist allerdings Sebastian Brandmeier als stets mit Tippelschritten schreitender Professor Abronsius. Er wurde hier nicht auf alt maskiert, vermittelt diese Illusion jedoch alleine durch Mimik und Körpersprache. Besonders gelungen ist die “Wahrheit”-Szene und wenn er sich aufrichtig freut, dass mit Krolock wenigstens ein anderer sein Buch gelesen hat.

In der gesanglich und schauspielerisch anspruchsvollen Rolle der Sarah stellt Mercedesz Csampai den Wandel vom naiven, schwärmenden Teenie zur resoluten Vampirin anschaulich dar. Ihre Spitzentöne sind famos, jedoch kann sie dieses Niveau nicht durchgängig halten. Tobias Bieri gibt einen sympathischen, weniger unbeholfenen Alfred, der seinen Lehrmeister hier vor lauter Angst in der Gruft-Szene anlügt, in dem er behauptet, der Graf und sein Sohn würden in den Särgen liegen, während sich die beiden am Bühnenrand – nur vom Publikum sichtbar – köstlich über die trotteligen Wissenschaftler amüsieren. Dadurch wird bereits in dieser Szene deutlich, dass die Vampire alles kontrollieren.

Die Chagalls werden von Jerzy Jeszke und Anja Wessel gespielt. Jeszke hat bereits in zahlreichen Vorstellungen der Großproduktion bewiesen, dass er perfekt in die Rolle des jüdischen Wirtes passt. Neu und überaus amüsant ist das Befestigen des zweiten Bretts an der Tür seiner Tochter mit dem Akkuschrauberer und, dass er die Tarnung des Professors als Kerzenleuchter nicht bemerkt, wenn er an ihm vorbeiläuft. Wessels mütterliche Rebecca im grünen Kostüm mit schwarzem Spazierstock ist von Kostüm und Maske her wesentlich attraktiver dargestellt als die Original-Figur. Sie hat als resolute Chefin im Sanatorium klar die Hosen an, zerbricht dann allerdings am Tod ihres Mannes.

Als schwuler Grafensohn Herbert findet Christian Funk mit blonden langen Haaren genau die richtige Dosis an Extrovertiertheit und übertriebener Affektiertheit, um seine Rolle nicht zur Karikatur verkommen zu lassen. Er steht als Kronprinz zwischen seinem Vater und den anderen Vampiren, was er durch seine Größe und sein ausdrucksstarkes Mienenspiel vermittelt. Deutlich aufgewertet wurden die Rollen von Magda und Koukol. Thomas Huber darf als Page des Grafen zwar weiterhin nur verständnislos nuscheln, er erscheint jedoch trotzdem fast wie ein Strippenzieher im Hintergrund. Vor dem Ball gibt er den Wissenschaftlern für das Publikum sichtbar die Kostüme – die Tasche des Professors ergattert er dabei allerdings nicht. Bekämpft er die Vampire ebenfalls? Sanne Mieloos Magda ist eine gertenschlanke, bewegungsfreudige und sehr präsente Angestellte von Chagall, die es sichtlich genießt, auf dem Ball mitzutanzen.

Hans Kudlich schuf eine Bühne mit diversen Auftrittsmöglichkeiten durch eine Empore hinten und ein nach oben verschiebbares Podium mit den Zimmern des Sanatoriums vorne, das auch auf dem Dach begehbar ist. Dazu gibt es zwei Sprungtürme an den Seiten, die zu einem alten Schwimmbad gehören und deren gekachelten Treppen von beiden Seiten in den Orchestergraben führen. Zum Pausenfinale wird die Tür von Krolock geöffnet statt geschlossen. Eine schöne Idee ist die überdimensionale Knoblauchzehe bei den Chagalls, aus der der Saft direkt gezapft wird. Wie bei “Bram Stokers’s Dracula” und “Twilight” wird das Blut nach den Vampirbissen nun auch gegenseitig gesaugt, in dem der Beißende dem Gebissenen sein Handgelenk dafür anbietet. Dies verstärkt die Verbundenheit.

Die Kostüme von Franz Blumauer sind in der Alltagskleidung zeitgemäß und unauffällig. Zum Ball wird dann prunkvoll aufgefahren, bis es dann in Lack und Leder zum abschließenden Tanz geht. Der graue Pelzmantel, den Krolock der nackten Sarah umhängt, könnte aus “Jekyll & Hyde” entliehen sein. Sarahs traditionell rotes Ballkleid ist modern vorne bis zu den Knien ausgeschnitten. Unterstützt durch das Hausballett werden Jonathan Huors Choreografien rasant und teilweise atemberaubend ausgeführt. Gerade die “Rote Schuhe”-Szene um den Zwiespalt von Sarah hebt sich stark vom Original ab. Bei “Carpe Noctem” steht Alfred mehr im Fokus als gewohnt. Im zweiten Akt nähern sich die Bewegungen den bekannt zackigen Moves von Dennis Callahan an.

Musikalisch rockt die 15-köpfige Tanz der Vampire-Band unter der Leitung von Robert Paul die bombastische, zeitlose Musik von Jim Steinman gewaltig. Durch vier Streicher wird jedoch auch symphonische Musik geboten. Unbedingt zu erwähnen ist der wohlklingende, stimmige Sound, für den Thomas Strebel sorgt. Alle Darsteller sind einwandfrei zu verstehen und die Abstimmung mit der Musik ist erstklassig.

Die gesamte Produktion kann qualitativ mühelos mit aktuellen Großproduktionen mithalten. Durch die behutsame Neuinterpretation mit zahlreichen wirksamen und kreativen Ideen transferiert Ullrich Wiggers die Vampire unbeschadet ins 21. Jahrhundert. Obwohl sich bestimmt der ein oder andere Fan des Originals an dieser Version stören wird – das Experiment ist geglückt und das Theater St. Gallen hat wieder einmal alles richtig gemacht.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastCast (Historie)Ter­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Buch und TexteMichael Kunze
Musik und zusätzliches MaterialJim Steinman
ArrangementsMichael Reed
OrchestrierungSteve Margoshes
Michael Reed
Musikalische LeitungRobert Paul
RegieUlrich Wiggers
ChoreografieJonathan Huor
BühneHans Kudlich
KostümFranz Blumauer
LichtMichael Grundner
 
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CAST (AKTUELL)
Graf von KrolockThomas Borchert
SarahMercedesz Csampai
AlfredTobias Bieri
Professor AbronsiusSebastian Brandmeir
ChagalUlrich Wiggers
Frank Winkels [03.11., 04.11., 10.11., 11.11.]
Jerzy Jeszke
MagdaSanne Mieloo
HerbertChristian Funk
RebeccaAnja Wessel
KoukolThomas Huber
Nightmare Solo 1Christoph Apfelbeck
Nightmare Solo 2Philipp Hägeli
TanzsolistenThomas Höfner
Vanessa Spiteri
Céline Vogt
EnsembleJuliane Bischoff
Silke Braas-Wolter
Celine Vogt
Anouk Roolker
Pamela Zottele
Vanessa Spiteri
Yvonne Braschke
Stefanie Fischer
Ana Sánchez Martínez
Genevieve O'Keeffe
Emily Pak
Christoph Apfelbeck
Philipp Dietrich
Gerben Grimmius
Nicolo Soller
Philipp Hägeli
Thomas Höfner
Hoang Anh Ta Hong
Alberto Terribile
Giulio Panzi
Lorian Mader
 
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CAST (HISTORY)
SarahMyrthes Monteiro [02.04.2017]
ChagalJerzy Jeszke
EnsembleChristoph Apfelbeck
Juliane Bischoff
Silke Braas-Wolter
Philipp Dietrich
Gerben Grimmius
Philipp Hägeli
Thomas Höfner
Anouk Roolker
Nicolo Soller
Vanessa Spiteri
Samantha Turton
Céline Vogt
Pamela Zottele
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 18.02.2017 19:30Theater, St. GallenPremiere
So, 19.02.2017 17:00Theater, St. Gallen
Di, 21.02.2017 19:30Theater, St. Gallen
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