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Erwin Kannes - Trost der Frauen (2005 - 2006)
Neuköllner Oper, Berlin

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Thomas Zaufke (Musik) und Peter Lund (Texte) haben Shakespeares “Die lustigen Weiber von Windsor” nach LETTALand, eine Vorstadtsiedlung wie aus dem Bilderbuch verlegt. Ein quirliges, gut aufgelegtes Ensemble zeigt, wie aktuell dieser Klassiker ist. Bissige Texte und eingängige Songs garantieren einen vergnüglichen Musicalabend.

Willkommen in LETTAland, einem friedlichen Idyll wie aus dem Bilderbuch: blauer Himmel, grüner Rasen, schmucke Häuschen mit jeweils einem Baum davor. Jürgen Kirner hat eine Heile-Welt-Kulisse entworfen, wie sie auf jeder Modellbahnanlage zu finden ist. Hier allerdings in einem etwas größeren Maßstab. Die Bauten reichen den Darstellern bis zum Knie und werden als Sitzmöbel oder Podeste in Spiel und Tanz einbezogen. Außerdem kann in den Mini-Eigenheimen das Licht angeknipst werden. Das ist nicht nur nett anzusehen, sondern illustriert gleichzeitig, in welchen vier Wänden die Handlung spielt. Diese Innenräume werden auf der hinteren Bühnenfläche sowie am rechten Rampenrand mit schnell austauschbaren Möbel angedeutet.
Dass diese Muster-Vorstadtsiedlung gar nicht so friedlich ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint, wird schnell klar. Noch bevor die sechs Musiker den ersten Ton anstimmen können, erscheint ein knautschgesichtiges Handpuppen-Kleinkind mit einer Schleuder und zielt auf einen hoch über ihren Köpfen schwebenden Vogel. Dies ist der Startschuss für einen Musicalabend, dessen Buch (Text: Peter Lund) Shakespeares Windsor-Weiber nebst Anhang ins Heute transferiert. Dabei scheinen die Bewohner von LETTAland direkt einem Werbespot für Margarine entsprungen zu sein: sie sind makellos schön, porentief rein und auf vordergründigen Konsum programmiert. Im Eingangssong betet das sich roboterartig bewegende Ensemble seine von der Reklame indoktrinierten Ideale herunter: so ist man in LETTAland beispielsweise niemals krank, dafür schlank und auch immer gut gelaunt.
In diesem modernen Rahmen erzählt Autor Peter Lund, der auch Regie führt, die bekannte Handlung mit mehr als nur einem Augenzwinkern: Wird der Verführer im Original beispielsweise in einem Wäschekorb versteckt, so hält dafür in der Neufassung ein überdimensionaler Rotkreuzsack mit abgelegten Designerstücken her. Wird beim zweiten Stelldichein in Windsor zur Vertuschung noch die Maske einer Magd gewählt, taucht beim Date in LETTAland plötzlich eine verschleierte, türkische Putzfrau auf! Diese und noch eine Unmenge weiterer Details haben Witz und Niveau, so dass das Stück niemals in vordergründigen Klamauk abgleitet. Einziger Schwachpunkt: Lund hat insbesondere die jugendlichen Figuren zu sehr als schablonenhafte Typen angelegt: da gibt es das blonde Dummchen ebenso wie ein rebellierendes Punker-Sponti-Pärchen oder einen ausländischen Macker, der eigenartigerweise auf den Namen Oliver Konnopke hört.
Zu der Textvorlage liefert Thomas Zaufke die passende Musik mit Ohrwurmcharakter. Neben Balladen („Eifersucht”; „Was ist das?”) und flotten Show-Stoppern („Bloß nicht bewegen; „2. Wahl” mit toller Stepp-Einlage) endet der Abend standesgemäß mit einem „Loblied auf die körperliche Liebe”, das vom gesamten Ensemble angestimmt wird. Der Komponist reiht dabei nicht einfach lieblos irgendwelche Nummern aneinander, sondern trifft mit seinen Songs punktgenau die jeweilige Situation. Da wird nicht nur gerapt, sondern auch walzerseelig geschmachtet und ein Tango aufs Parkett gelegt. Alles dankbare Vorlagen, die die Choreografin Neva Howard mit viel Fantasie umsetzt und so der Aufführung zusätzliche optische Reize verleiht.
Den im wahrsten Sinne des Wortes gewichtigsten Part in „Erwin Kannes – Trost der Frauen” hat Benjamin Eberling als Titelheld. Als prolliger HartzIV-Empfänger mit Wampe und Rückenbehaarung verführt er die Frauen von LETTAland, lässt aber letztendlich die richtigen Paare wieder zusammenfinden. Eberling ist in seiner Rolle so authentisch, dass man annehmen könnte, dass er in seinem schaurig-schönen lila Ballonseidenanzug und der Schlabber-Unterhose vom Wühltisch (Kostüme: Daria Kornysheva) direkt von den Straßen Berlin-Neuköllns auf die Bühne gestellt worden sei. Gleichzeitig verleiht er der Figur die erforderliche stimmliche Präsenz und beweist, dass man sich auch ohne Adoniskörper hervorragend im Tanz bewegen kann.
Das optische Gegenstück dazu ist Jörn Linnenbröker, der als muskulöser Schönling Tom Flut verzweifelt, aber letztendlich doch erfolgreich, um seine Ehefrau Melanie (Lucy Scherer) kämpft. Komplettiert werden die erwachsenen Bewohner von LETTAland durch die nicht immer ganz so loyalen Freundinnen Marie-Luise Reich (besonders komisch im Zwiegespräch mit ihrem Kühlschrank: Helena Blöcker) und Kimberly Schnell (Evamaria Keding). Die Jugend wird angeführt vom Barbie-Dummchen Sandy Deutschmann (Maria Kempken), die letztendlich in Oliver Konnopke (überzeugend in dieser Hosenrolle: Filipina Carmela Henoch) ihr Glück findet. Ob die beiden unangepassten Sprösslinge Anna Reich (Anne Hoth) und Karl-Heinz Bürger (Martin Schäffner) auf Dauer ihr Glück gerade in der sie umgebenden Konsumwelt finden, ist zweifelhaft.
Es ist kaum zu glauben: alle Protagonisten befinden sich noch in der Ausbildung zum Musicaldarsteller an der Berliner Universität der Künste. Alle neun überzeugen ausnahmslos in Gesang, Spiel und Tanz und führen die Aufführung letztendlich zum verdienten Erfolg.
Mit ihrer Produktion “Erwin Kannes – Trost der Frauen” bietet die Neuköllner Oper locker-leichte Sommerunterhaltung, die richtig glücklich macht. So wie es ja sein soll – in LETTAland…

 
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KREATIVTEAM
Buch und InszenierungPeter Lund
MusikThomas Zaufke
ChoreografieNeva Howard
Stepp-ChoreografiePamela Nagel
BühnenbildJürgen Kirner
KostümeDaria Kornysheva
Musikalische LeitungHans-Peter Kirchberg
 
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CAST (AKTUELL)
Erwin KannesBenjamin Eberling
Marie-Luise ReichHelena Blöcker
Kimberly SchnellEvamaria Keding
Melanie FlutLucy Scherer
Tom FlutJörn Linnenbröker
Martin Kiuntke
Oliver KonnopkeFilipina Carmela Henoch
Patricia Röder
Anna ReichAnne Hoth
Karl-Heinz BürgerMartin Schäffner
Sandy DeutschmannMaria Kempken
Nadine Stöneberg
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Di, 21.06.2005 20:00Neuköllner Oper, BerlinPremiere
Do, 23.06.2005 20:00Neuköllner Oper, Berlin
Fr, 24.06.2005 20:00Neuköllner Oper, Berlin
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